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Eine Familienradreise durch Südamerika

Lagunenroute - Uyuni - San Pedro de Atacama

"Diese Fahrt ist kein Picknick und das bolivianische Hochland ist nicht Disneyland....(? )
sie kann außerdem  nur in den Monaten Juli bis Oktober befahren werden,weil man sonst auf den bolivianischen Pisten versumpft, dann ist weder schieben noch tragen möglich ...Essensvorräte für 10 Tage und 1,5 - 2 Liter Brennstoff sind obligatorisch...Die Biwakausrüstung sollte bis -20 C ausgelegt sein"... (?)
So leitet unser Lateinamerika Bike Buch die Lagunenroute ein...
Komischerweise, war dieser Teil auch der einzige, dem ich noch vor unserer Reise, in Berlin ein bisschen Aufmerksamkeit schenkte. Zu diesem Zeitpunkt war für mich ganz klar: diese Route werden wir definitiv nicht fahren!

Aber mit der Zeit wächst man an seinen Aufgaben! Schließlich dachte ich auch am ersten Radtag, dass Ich es nicht mal aus Bogota schaffen werde...
Je näher wir an die bolivianische Grenze kamen, desto mehr wurde unter den Radlern von dieser Route gesprochen. Jeder kennt sie! Das sie gefahren wird, steht 50-50.
Anfangs berührte mich dass sehr wenig, denn für mich stand noch immer fest, diese Tour fahren wir nicht! In Cusco (Peru) sah ich auf einer Landkarte eine eingezeichnete Nebenstraße, die wohl an mehreren Seen vorbeiführt und was für mich noch wichtiger war - eine Abkürzung nach Chile ist!
Abkürzung klingt gut - wir fahren dort entlang!!!
Erst Tage später stolperte ich noch einmal auf die Beschreibung in unserem Buch, sah mir die eingezeichnete Tour in der Karte näher an und bemerkte:
Die Abkürzung ist die Lagunenroute! Torsten amüsierte sich über meine Planung. Denn schlussendlich fahren wir doch stets genau diese Strecken, die für ihn interessant sind - nur mit dem Unterschied, dass ich ihm nicht die Schuld geben kann, wenn es zu anstrengend ist ;)
Mit jedem Tag festigte sich der Gedanke, die Lagunenroute zu fahren, mehr und mehr.
Bis wir uns in der Salar de Coipasa dazu entschieden! Jetzt wollen wir es wissen...

Noch einmal rennen wir über Uyuni' s Märkte...


...kaufen Essensvorräte für 10 Tage...


...und bringen einen Stapel Postkarten zur Post.


Dann geht es los....

1. Tag - 85km - 225hm - Schnitt: 15,8 km/h
Der heutige Tag meinte es noch gut mit uns. Die Strecke ab Uyuni war flach, langweilig; der Dreck fest und gut fahrbar. Nach über 80 km schlugen wir unser Camp auf und schliefen bald zufrieden, über den heutigen Schnitt, ein.

Breakfast with Tiffany

2. Tag - 69 km - 441hm - Schnitt:12,8 km/h
Die Landschaft ändert sich allmählich. Berge erheben sich, die Erde leuchtet rot und von Weitem erblickten wir immer wieder kleine weiße Salzflächen.
Inmitten des staubtrockenen Altiplanos, wurde die Piste auf Grund einer Baustelle, nass, matschig und unfahrbar. Die Räder sumpften teilweise, bis zur Kette tief ein.


Nachdem die Räder 'entmatscht' wurden, setzte der Wind ein. Mit jeder Minute wurde er stärker. Er blies uns direkt ins Gesicht, bis er uns beinahe auf 5 km/h runterbremste.
Ist das die Vorbereitung auf die Lagunenroute???
Noch einmal genießen wir in dem kleinen verschlafenen Städtchen 'Alota', ein Bett und die bolivianische Gastfreundschaft.



3. Tag - 42 km - 826 hm - Schnitt: 7,6 km/h
Zwei weitere Bewohner des Hosta, boten uns an, uns ein Stückchen auf ihrem Pick - up mitzunehmen. Aber da die Piste bisher so gut zu fahren war und für den heutigen Tag 'nur' 60 km anstanden, lehnten wir dankend ab.
Gleich nach  Alota ging die Straße stetig bergauf und führte durch die 'Valles de Rocas'. Eine  Landschaft, welche an die bereits gefahrene Strecke zwischen Curahuara de Carangas und Turco erinnerte.

Der leichte Anstieg ließ genug Zeit zum fantasieren...
...der Hase und das Kamel sind aber eindeutig; )...
Nach 30 km bogen wir links, in Richtung zur ersten Lagune ab. Abkürzung!!


Das die Piste der Abkürzung miserabel wird und noch über einen zusätzlichen Pass von über  4700 müNN führt, hätten wir uns ja eigentlich denken können... Ach und natürlich der Wind! Auch der darf hier nicht fehlen...
Nach kaum 5 km standen wir bereits neben unseren Gefährten und schoben sie über die felsige Piste, dem Wind entgegen, den Berg hinauf. ..


20 Kilometer vor unserem Ziel, stellten wir unser Zelt auf. Der Untergrund war ungünstig - abschüssig und sandig - kein Hering hat ohne einen beschwerenden Stein gehalten. Aber nach so einem Tag war uns das egal und die Aussicht war fantastisch!


4. Tag - 22 km - 116 hm - Schnitt: 7,5 km/h
Den halben Tag verbrachten wir damit, uns und unsere Räder die restlichen 20km  zur Laguna Hedionda zu bewegen.
Das was wir hier machten, könnte man Bikeaneering, Bikesteigen, oder Bikehiking nennen. Alles - nur nicht Radfahren!
Zur abwechselnden Freude, wurde die felsige Piste von einem eisig kaltem, teils noch gefrorenen Fluss unterbrochen. Torsten tauschte seine geliebten Wollsocken gegen seine unentbehrlich - wasserdichten Socken aus und schob die Räder auf die andere Seite.


Danach wurde die Piste nochmal richtig steil und steinig.
Ganz  knapp bevor ich die Krise bekam  und mein Mund sich schon zum meckern öffnete, erblickte ich in den erdigen Tönen einen kleinen grünlichen Farbklecks. Die Neugier erbrachte neue Kraft hervor; die Räder holperten über den Berg, um die Kurve und schon lag sie in ihrer wundervollen  Pracht vor uns - die erste Lagune - Laguna Hedionda!



Noch als wir die Flamingos beobachteten und Jamun eifrig eine Feder für seinen kleinen Cousin  suchte, kamen weitere Radler an. Wolfi und Sabrina - die zwei Österreicher, welche wir in Cusco bereits kennenlernten. Später holten uns Scott und Sue und ein Paar aus Frankreich ein. Ein Radler- Treff der großen Freude!
Zusammen nächtigten wir in einem leerstehenden Raum neben dem Restaurant, dessen Besitzerin uns auf eine Suppe und zum Frühstück einlud.

5. Tag - 32 km - 630 hm - Schnitt: 6 km/h
Auch wir versuchten, wie die anderen,  früh auf dem Rad zu sitzen. Doch trotz allen Bemühungen schafften wir es erst zu 7:00 Uhr. Es war immer noch bitterkalt und zu früh für Jamun. Wir wickelten ihn einen Poncho und packten ihn in den Hänger. Kurz darauf schlief er zufrieden ein...
Die ersten 10 km, vorbei an 3 weiteren Lagunen, waren fahrbar.
Später verwandelte sich die Piste in ein endlos sandiges Waschbrett. Jamun erwachte von dem Gewackel und stieg freiwillig aus dem Hänger aus.
Bald wurde der Weg für uns nicht mehr fahrbar und zwang uns zu schieben...
Die vorbei rasenden Jeeps, bremsten meistens für ein  Foto, so dass wir das Gefühl hatten, wir wären die wilden Tiere auf einer Safari-Tour. Manchmal aber, hielten sie auch, um uns Wasser, Früchte und Snacks zu schenken. Von einem Fahrer bekam Jamun eine ganze Tüte Lollis geschenkt...


Am Ende des Tages hatten wir soviel Wasser bei uns, dass wir nicht einmal die nächste Wasser-Auffüll-Station anfahren mussten... Da soll, mal einer sagen, es wäre schwer mit Kind zu reisen...

6. Tag - 34 km - 270 hm - Schnitt: 6,8 km/h
Die Nacht war bitterkalt, bis zu -10 c im Zelt.
Während der Zeit, als Torsten die Eiswürfel zu warmem  Teewasser  kochte, spielte Jamun mit seinen sichtbarem Atem, Drachen im Zelt.
Erst nach dem die Sonne uns vollständig erreichte, krochen wir aus dem Zelt und begannen unseren Tag.
Auf diesem Teil der Route mussten wir selbst bergab, wegen dem tiefen Sand und bis zu 30 cm tiefem Waschbrett, schieben.


Bei unserer Mittagspause entdeckten wir einige Viscachas, wilde - Hasen ähnliche Nagetiere und bekamen,  von einem ebenfalls pausierendem Jeep, Wasser und frisches Obst geschenkt.


Nach der Pause, konnten wir glücklicherweise das meiste fahren und erreichten tatsächlich noch kurz vor Sonnenuntergang unser Ziel.
Arbol de Piedra - ein Ort mit skurrilen Felsformationen, die Windschutz bieten. Nicht nur wir fanden dies ein  perfekter Ort zum nächtigen - hier trafen wir wieder auf Scott und Sue, oder wie Jamun die beiden nennt:  Scue!

7. Tag - 17 km - 78 hm - Schnitt: 6 km/ h
Noch bevor wir mit dem Frühstück fertig waren und das Camp abgebaut hatten, kamen schon die ersten Jeeps angerauscht. Die Insassen schauten uns mindestens genauso verwundert an, wie die skurrilen Felsen inmitten der Wüste.


Heute verbrachten wir wieder hauptsächlich mit schieben. Am meisten frustrierten uns die letzten Kilometer zur  Laguna Colorada - bergab und zusätzlich Rückenwind - eigentlich die besten Bedingungen und trotzdem mussten wir wegen dem tiefen Sand schieben!
Immerhin, entschädigte der Blick auf die erstaunlich rotleuchtende Lagune, alle Mühe...


Und zur Bereicherung, stellten wir schon mittags unsere Räder zur Seite; blieben in einem Refugio, gönnten uns ein paar Bier, spielten Spiele und ließen uns bekochen...

8. Tag - 22 km - 454 hm - Schnitt: 5,8 km/h
Entlang der Laguna konnten wir zuerst erstaunliche 16 Kilometer, bis zum Vormittag, radeln. Dann setzte wieder der stetige Begleiter - der Wind ein.
Und natürlich mit ihm, der Anstieg zum Pass 'Sol de mañana'!
Der Wind blies uns so heftig ins Gesicht, dass ich die meiste Zeit damit verbrachte, mein Rad dagegen zu stämmen und vorwärts zu bewegen versuchte. Torsten und Scott wechselten sich gegenseitig ab, mir hin und wieder ein Stück das Rad abzunehmen. Gegen 15 Uhr waren wir alle bereits so erledigt, dass wir die passende Chance des windgeschützten Schlafplatzes annahmen.
Ein herrlicher Platz mit einem wunderbaren Ausblick, an dem nur noch ein Bier fehlte. Dem Gedanken folgte ein Jeep in unsere Richtung, in welchem  unglaublicherweise eine Australierin drinnen saß, die uns schon 3 mal auf der Reise begegnete. Lachend schenkte sie uns ein paar Bier. Der Fahrer legte noch ein paar Lollis, Kekse und Müsli bei...


So schön der Sonnenuntergang, so kalt die Nacht! Hier oben nutzten wir zum ersten mal alles, was unsere Taschen so zu bieten hatten. Zum Glück hat unser Sohnemann wenigstens immer eine bewährte Nachthitze!

9. Tag -  40 km - 526 hm - Schnitt: 8,5 km/h
Am  morgen kämpften wir uns gegen den Wind, über den - für uns höchsten Pass auf 4950 müNN, runter zum Geysirfeld. Eines der größten Abenteuer für Jamun!


Die Anstrengung wurde am Abend in der heißen Quelle, der Laguna Chalviri belohnt!


10. Tag - 45km - 497 hm - Schnitt: 9,5 km/h
An der 'Desierto de Dalí', welche ihrem Namen wirklich alle Ehre macht,  radelten wir über einen weiteren Pass von über 4750 müNN, zu den beiden letzten Lagunen - Laguna Blanca und Verde.
Die Euphorie, dass wir bald eine der härtesten Routen in Südamerika, geschafft hatten, milderte die Anstrengung, den Wind, Sand und Waschbrett.


...?...Naja, zumindest im Nachhinein....
Aber definitiv gehörte dieser Tag zu den Schönsten!
Nach dem Pass strahlten die Berge in allen vorstellbaren rot-orange Tönen; Wilde Vicuñas rannten über den Weg...


mächtig erhob sich der Vulkan Licancabur, dessen ausgespuckte Lavabrocken ihm zu Füßen lagen...


Langsam erspähten wir die letzte Lagune...


Erschöpft, geruhsam und zufrieden, verbrachten wir die letzte Nacht auf bolivianischem Boden, in einem Refugio. Selbst Jamun  spielte total entspannt und zufrieden mit einem Mädchen ein Kartenspiel und dabei war es ihm völlig egal, wie das Spiel eigentlich funktionierte, noch ob er gewann...


11. Tag - 60km - 494 hm - Schnitt: 13,7 km/h
Nicht einmal am  letzten Tag der Lagunenroute, hörte der Wind, wie normalerweise jeden Tag,  zwischen 7:00 und 9:00 Ihr morgens auf zu toben.
Wir kämpften und schoben gegen den Wind zur Grenze.

Hier wird nicht zu Allah gebetet ;)  Hier wird Pachamama geküsst! We Made it!!!
In einem kleinen Häuschen holten wir uns den Ausreisestempel ab. Hier ist die Ausreise für Radfahrer kostenlos! Oder wahrscheinlich hat sich der Zollbeamte, nicht mehr getraut, uns nach dieser Strecke die 15 BOB noch abzuknüpfen.
Wie auch immer...Noch schnell ein Foto auf der chilenischen Seite...


...nochmal weitere 5 km bergauf, über einen Pass und dann standen wir endlich vor der 42 Kilometer langen Abfahrt!!!

Aber wer hatte schon geahnt, dass nicht einmal diese uns geschenkt werden???
Auf der letzte Hälfte brauchte unser Freund der Wind nochmal so richtig viel Aufmerksamkeit und blies uns so heftig entgegen, dass wir ca. 1000 Höhenmeter im 3. Gang durch Sandgewirbel, nach unten treten durften...

Resume  der Lagunenroute:
Wir sind eingestiegen mit dem Gedanken, der Tour ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen zu können.... was für eine Ironie!
Die Tour ist kontinuierlich schwer zu fahren, und durch die Höhe und Wetterverhältnisse  körperlich und mental eine Herausforderung.
Sand,Waschbrett, und Steine sind die Charaktere der knapp 500 km langen Strecke.
Landschaftlich mit das schönste was der Süden des Altiplano zu bieten hat.
Sie ist definitiv jeden vergossenen Schweißtropfen Wert!!!



...Bolivien - Schotter, Salz & Kekse...

Gesamtkilometer:         6.738 km
Gesamthöhenmeter:  82.956 hm

Bienvenidos in einem Land, welches uns schon gleich von Anfang an überraschte...
Die Grenze überschritten wir gemeinsam mit einem Radreise Päarchen aus der Schweiz. Definitiv einer der unvergesslichsten, längsten und lustigsten Grenzüberschreitungen.
Bei einem eigentlich ganz unspektakulären Abstieg vom Fahrrad, flog Andrea auf das Vorderrad ihres Freundes. Es eine "Acht" zu nennen, wäre zu untertrieben gewesen. Eine acht mit Doppel Looping, hätte es schon eher getroffen.
Mit bloßem zentrieren, war das Problem nicht zu beheben, weshalb die Männer sich ein Mototaxi schnappten und zurück zum letzten Dorf fuhren, um eine "Rad-Werkstatt" zu finden.
Auf brutalste Weise wurde das Rad auf peruanischen Standard mit einem Vorschlaghammer wieder "rund" geklopft und später in einem Motorrad-Zentrierständer zentriert.


Immerhin hat es gereicht, das Rad ohne Bremsen wieder ein zu bauen und mit einem zusätzlichen Platten über die bolivianische Grenze zu schieben.
Dort angekommen, holten wir uns erstmal einen Einreisestempel. Trotz Diskutiererei, zwecks Radreise und Kind, bekamen wir nur 30 Tage Visum. Der Zöllner betonte jedoch, man könne in jeder größeren Stadt das Visum bis auf 90 Tage kostenlos verlängern. Eigentlich kein Stress, aber für uns bedeutete dies, dasd wir auf jeden Fall eine größere Stadt anfahren müssen....
In aller Ruhe wurde Michele's Rad noch einmal für die Weiterfahrt, vor dem in englisch beschrifteten Klo präpariert.


auf Grund von Erzählungen haben wir alle schon mit dem schlimmsten in Bolivien gerechnet. Doch in Grenznähe wurden wir schon zum ersten Mal  von der Architektur überrascht. Jedes Haus wurde hier mit einem Dach versehen! Manche hatten sogar Ziegel, Dachgaupen, oder sogar kleine Erker.
In dem touristischen kleinen Städtchen Copacabana am Lago Titicaca sammelten wir mit Ruhe und mega Popcorn für ein paar Tage neue Kräfte, bevor es weitergeht. Denn auf uns wartete eine lange Etappe.


Obwohl Peru landschaftlich einiges zu bieten hatte und für uns nur schwer zu toppen war, konnte es im Bezug auf den Lago Titicaca, sich hinten anstellen.
Auf der bolivianischen Seite, schimmerte der See schon fast in karibischen türkis Tönen.
Mit einer Fähre, die in leichter Schräglage sogar ganze Busse übersetzte, überquerten wir die Engstelle, an der der Puma den Hasen jagt... (wenn man die Karte auf den Kopf stellt).


Lange genossen wir noch die schöne Aussicht auf den See, bis sich nachmittags plötzlich ein Unwetter über uns aufbaute und Hagelkörner auf uns runter prasselten. Nachdem das Schlimmste vorbei gezogen war, fuhren wir weiter auf der Suche nach einem Schlafplatz.
Leider war der Titicacasee zum Zelten zu dicht besiedelt, die Hotels entweder leer und verlassen, oder sie sprengten erheblich unser Budget.
Als sich der Himmel schon rot verfärbte, kam uns Gustavo, ein Radtourero aus Kolumbien, der ebenfalls auf der Suche nach einem Schlafplatz war, entgegen. Zusammen schlugen wir bei Sonnenuntergang unsere Zelte hinter einer Kirche Mitten im Dorf auf. Hier muss es ja schließlich sicher sein ;)
Am nächsten  Morgen grüßten uns die Bewohner freundlich. Manche hielten für einen kleinen Smalltalk, als wäre es das normalste hier zu zelten.
20 km genossen wir noch einmal die gut asphaltierte Straße, danach bogen wir in eine Piste aus Schotter und Sand.
Nach 5 km fragte mich Jamun, warum wir eigentlich hier lang fahren und nach jedem gefühlten Meter, wie lange es noch dauert bis wir wieder auf Asphalt fahren.
Unser Plan war es La Paz auszulassen und dass die Straße erst mal so bleibt, haben wir ihm dezent verschwiegen ;)
In dem kleinen sympathischen Dörfchen Pucarani, legten wir unsere erste Pause ein. Es war Sonntag und alle Bewohner versammelten sich auf der Plaza, tranken Bier, kauten Coca-Blätter und hörten vom Bass überschlagene Musik.
Eine nette alte Dame baute extra für uns eine Art Sonnenschirm auf, während ihr Mann uns erzählte,  dass es noch ca. 50 Kilometer bis zum nächst größeren Ort Viacha seien und man mit dem Fahrrad etwa 1 Stunde bräuchte. Er fügte noch hinzu, die Straße sei nach Laja viel besser "mucho mejor!".
Na dann mal los - vamonos!
Kurz vor Laja kreuzten wir eine Asphaltstraße, 5 Meter purer Genuß, dann holperten wir in das verschlafene Örtchen und wieder hinaus in die 'mucho mejor' Straße.
15 km steinharter Waschbrett Belag! Teilweise suchten wir am Straßenrand wieder nach Sand und Schotter, denn im Vergleich dazu, war es schon fast gemütlich.
Mittlerweile fragte auch ich mich, warum wir eigentlich hier lang fahren.
Die Antwort bekam ich kurz vor Sonnenuntergang, als wir unser Zelt auf dem goldenen Altiplano aufstellten, die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real von der Abendsonne rot erleuchteten und dazwischen die Lichter von El Alto und la Paz zu funkeln begannen.


Am nächsten morgen jedoch überdachten wir nochmals unsere Route neu. Unser Lateinamerika Bike Buch leitete die Tour mit folgenden Sätzen ein:  " Dies ist eine harte Hinterland-Tour für Abenteurer! Wer sie fahren will, sollte unbedingt genügend Lebensmittel, Trinkwasser und eine gute topographische Karte ( russische Fliegerkarte ) mitführen! "
Natürlich haben wir für unser GPS Gerät keine Bolivien Karte und die Fliegerkarte ist eine einfachste Straßenkarte.


Also umfuhren wir noch weiter La Paz und stießen am nächsten Tag, zu Jamun's Freude, auf Asphalt der Ruta National 1. Hier rollten zwar unsere Räder, aber dafür lag jeder Kilometer entweder ein geplatzter Autoreifen, oder ein toter Hund im Weg...
Nach 60 Kilometer bogen wir gerne wieder von der guten Straße ab. In Patacamaya füllten wir unsere Vorräte auf und reparierten meinen ersten Platten! Danke an Schwalbe und ein noch größeres Danke an unsere Cikago Bude, die uns den Tag mit ihrer Nachricht auf dem Felgen erheiterte!


Die ersten 40 Kilometer strampelten wir über den Altiplano wie wir ihn schon von den letzten 600 km kannten. Beinahe fing er sogar an uns zu langweilen, als plötzlich die goldene Oberfläche aufbrach und rotleuchtende Schluchten vor uns lagen. Ich könnte jetzt hier wieder Hesse mit aufgebrochene Feigen zitieren, aber ehrlich gesagt, dachte ich maximal an Spätzle mit Rotweinsoße. Ich merkte wie unser verwöhnter europäischer Magen mittlerweile die Vielfalt des Essens vermisste...
Die schöne Landschaft holte mich aus meinen schlemmer -Träumen wieder raus.


Fließende Felsformationen und rötlich sandig ausgetrocknete Flüsse, die sich über Weiten dahin zogen, kamen zum Vorschein.


Die aus Erde gebauten Häuschen mit Strohdächer verschmelzten mit der Landschaft. Überall grasten wilde Lamas, Vicuñas, Emus und Flamingos stolzierten in den Überbleibsel der Flüsse.
Jamun genoss die Strecke! Hier konnte er jeden Tag alleine fahren. Am meisten freute er sich, wenn er wegen den Lamas bremsen, oder sogar anhalten musste, weil sie sich mitten auf der Straße ausruhten.





In Curahuara de Carangas legten wir eine Mittagspause ein. Bei einer alten Dame aßen wir an der Plaza ein Almuerzo. Als wir es ohne Fleisch und Pollo bestellten, fing die Dame herzhaft an zu lachen. Sie fand es äußerst amüsant und erzählte es jedem kichernd, der ebenfalls an den Stand kam.
Während wir dort saßen, kam plötzlich ein Kamera Team auf uns zu, welches gerade eine Reportage über die dort vorhandene sixtinische Kapelle, die auf das Jahr 1606 zurückgeht, drehte und fragte uns ganz aufgeregt, ob wir extra wegen der Kirche auf dem Fahrrad hier her reisten??
Unsere Antwort enttäuschte sie etwas und doch bekamen unsere Räder nach den Interviews noch eine Nahaufnahme.


Kurz nach Ortsausgang wurden wir von der Landschaft total überwältigt. Ein Traum jedes Boulderer und zugleich ein Alptraum, wenn das Equipment kein Platz auf dem Rad hatte!


Skurrile Felsformationen, freistehende Säulen und löchrige Felsbrocken , die wie es scheint, ihre eigene Geschichten erzählen. Eine Gegend, in der es völlig gleich ist, dass man wegen den schlechten Wegverhältnissen nur langsam voran kommt. Hier steigt man extra vom Sattel!


Nach Turco wurden wir erneut von diesem Land überrascht. Die neu geteerte Strasse nach Ancavari, wurde in adäquaten Abständen mit Mülltonnen versehen.


Ein Land, welches von hinten aufholt und nicht wie wir es von Peru kennen, eher nur um touristische Zentren. Auch das von Morales hervorgebrachte Brunnenbohr - Projekt " Mi Agua ",  scheint zu greifen. In den meisten Ortskernen gibt es ein für alle zugänglichen Wasserhahn mit Trinkwasser. Nur wenige müssen noch ihr Wasser aus einer Art Brunnen holen.


Ein beeindruckendes Dritte-Welt-Land, welches sogar als erstes Land, Mc Donalds beukotierte, bis rote Zahlen geschrieben wurden und der Konzern sich zurückzog! Davon können wir nur lernen...

Auf dem Weg nach Sabaya, der Eingang der Salzwüste Salar de Coipasa, hielt ein Auto neben uns und schenkte uns Orangen und Joghurtgetränke für den Weg. Sie boten auch an, uns bis nach Sabaya mitzunehmen!
Unsere Vorurteile, welche sich von den Erzählungen vieler anderen Touristen eingeschlichen haben, entsprachen somit in keinster Weiße der Realität!

In Sabaya gingen wir nochmal auf Proviant-Jagd, was bedeutet, alle Tiendas abklappern, suchen und hoffen was anderes außer Kekse zu finden. Was leider ziemlich schwer ist.


Dafür fanden wir glücklicherweise zum ersten mal seit Monaten wieder frische Brötchen, die direkt aus dem Ofen kamen :)
Als wir auf den Hostel - Besitzer warteten, trafen wir auf einen belgischen Abenteurer, der versucht beide Salare, ohne jeglichen zivilistischen Kontakt, mit einer Wasserversorgung von 29 Liter und 30 Power-Bar Riegeln, innerhalb von 6 Tagen zu Fuß zu durchqueren.
 Kurz darauf traf noch ein pensioniertes Mitte der 60er Jahre altes Paar aus Holland auf ihren Rädern ein. Gemeinsam aßen wir zu Abend und checkten in das Hostel ein.
Jeder mit der gleichen Mission, beide Salare zu durchqueren, verließen wir am nächsten morgen, jeder nach seinem Tempo, Sabaya.

Unglaublich, vor mehr als 13 Jahren, als ich zum ersten Mal die DVD von Manu Chao - Babylon en Guagua sah, träumte ich davon an diesen Ort zu reisen - und nun lag er ganz nah vor mir!!


Zuerst radelten wir über Sand, dann kam die erste Salzschicht. Später vermischte sich das Salz mit Wasser und wurde zu einer gerade noch fahrbaren klebrigen Knetmasse. Dann steinig und endlich wurde der Salar so wie wir ihn uns vorstellten! Eine pure Salzpiste!


Singend, flippend und den Tränen fast nahe radelten wir Kreuz und quer. Und weil es so schön war und es sich schnell radeln ließ, zelteten wir eine Nacht auf einer Insel auf der Salar de Coipasa, auf der bis zu 3 Meter hohe Kakteen wuchsen und über der Milliarden von Sternen leuchteten.


Am nächsten Vormittag begegneten wir den beiden Holländer auf der Salar und radelten gemeinsam weiter. Nach etwa 22 km endete die Euphorie und der Spaß! Die Salzwüste bildete riesige, harte und aufgeplatzte Waben, die ein Fahren kaum ermöglichte. Später wurden sie nass und matschig und wir versanken bis zu den knöcheln darin.



Nach etlichen geschoben Meter, wurde der Untergrund pudrig krustig. Es fühlte sich an als würden wir über Schweizer Fastnachts-Chüechli laufen...ohhh, was würden wir jetzt dafür geben....

Die Sonne brezelte auf uns nieder und schlimmer noch - unser Wasser wurde knapp. Schließlich dachten wir ja, wir würden die Coipasa mit ihren 87 Kilometer an einem Tag schaffen. Gemeinsam quälten und schoben wir die Räder voller Kraft aus der Salar .
Nach langem, erreichten wir endlich wieder eine fahrbare Piste. Doch zum finalen 'Radlertag' , blies uns plötzlich ein heftiger und eisig kalter Wind ins Gesicht, der uns erneut von den Räder zwang.
Sobald er aufhörte, fanden wir einen kleinen Fluss, stellten unsere Zelte direkt daneben auf, filterten Wasser und kochten Nudeln.


Diesmal war das Essen ziemlich versalzen, aber der enorme Hunger, ließ keine zeit für Hinterfragungen. Jamun, trank ein Schluck von dem gefilterten Wasser und spuckte es im nächsten Atemzug wieder aus. Ich roch daran und fand, daß es ein bißchen fischig roch, weshalb ich Tee daraus machte. Das holländische Päarchen und Jamun schliefen bald ganz erschöpft ein. Torsten und ich  warteten noch lange bis das Wasser für den Tee  kochte. Ungeduldig nahmen wir es irgendwann vom Kocher. Beim ersten Schluck, wusste ich warum Jamun das Wasser sofort wieder ausspuckte und - warum es solange dauerte bis es kochte  - das Wasser im Fluss war Salzwasser! Hätten wir uns vielleicht auch denken können....
Ein Traum nach dem anderen jagte die Nacht von glasklarem Wasser. . .
Gleich nach Sonnenaufgang schnappten Abe, Torsten und Jamun die Räder und fuhren in den nächsten Ort um Süßwasser aufzufüllen bzw. zu kaufen. Noch nie hat Wasser so gut geschmeckt! Und dazu mal wieder was gelernt : in einer Salzwüste sollte man das Wasser vorher probieren, bevor man es filtert!

Von den 34 kilometer, die zwischen den beiden Salaren lagen, verbrachten wir ca. 7 Kilometer auf dem Sattel. Die restlichen Kilometer schoben wir unsere Gefährten durch tiefen Sand.


Die einzigste willkommene Abwechslung zwischen Sand und Dornensträucher, waren die entspannten Lamas



In dem halb verlassenen Dorf Challacollo hofften wir ein paar Lebensmittel zu finden.


Es gab ein Tienda, in deren verstaubten Regalen tatsächlich 4 Packungen Popcorn, Kekse, Kaugummis und 3 Schokoriegel zu finden waren.
Sich nur von Süßkram zu ernähren - eigentlich ein  Traum jedes Kindes...

Noch einmal zelteten wir am Rand der nächsten und weltweit grössten Salzwüste, der Salar de Uyuni.


Hier trafen wir am nächsten morgen wieder auf die beiden Holländer, Scott und Sue, zwei Weltumradler aus den Staaten. 



In einer Karawane rollten wir über den puren Salz und verbrachten eine Nacht auf der Isla Incahuasi.
Jetzt wusste ich auch warum ich solange auf diesen Traum warten musste. Hätte ich das Land früher bereist, hätte ich die Salzwüste ganz bestimmt nicht so intensiv wie mit dem Rad erlebt!




Hier rollte es sich wie über Asphalt! Einfach herrlich....

Nach 16 Radtage in Folge, knapp 900 Kilometer - meistens Sand und Schotter und ca. 50 Packungen Kekse erreichten wir Uyuni. Hier wurden erstmal unsere Räder vom Salz befreit...


...das Visum verlängert, und am Markt die Vitamin - Defizite aufgeholt...



....denn schließlich brauchen wir neue Energie für unser nächstes Bolivien - Chile - Bike - Highlight , die Lagunenroute!

Karte